Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung die Haftung eines Unternehmers für Altverbindlichkeiten eines insolventen Unternehmens, welcher auch nach Insolvenzeröffnung das insolvente Unternehmen tatsächlich fortführt, bestätigt.
In seinem Urteil vom 23.10.2013, Az. VIII ZR 423/12, sieht der entscheidende Senat trotz Insolvenzeröffnung die Anwendbarkeit des § 25 Handelsgesetzbuch als geben an. Denn auch bei einer rein tatsächlichen Fortführung eines insolventen Unternehmens unter der gleicher Firma ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters nach Verfahrenseröffnung sei § 25 HGB anwendbar.
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der ehemals faktische Geschäftsführer des insolventen Unternehmens nach Verfahrenseröffnung ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters die Geschäfte der Unternehmung tatsächlich fortgeführt. Somit hafte der Erwerber eines unter der bisherigen Firma fortgeführten Handelsgeschäfts grundsätzlich für die zuvor im Unternehmen begründeten Verbindlichkeiten. Dem Rechtsverkehr vermittele die Übernahme prägender Teile der Firma und des Unternehmens den Eindruck von Unternehmenskontinuität. Hierfür genüge eine rein tatsächliche Fortführung ohne rechtsgeschäftlichen Erwerb.
Dieses Urteil ist unter Berücksichtigung der Schutzwirkung des § 25 HGB nur konsequent. Die Regelung des § 25 HGB schützt den Rechtsverkehr, der sich auf die Kontinuität des Unternehmens nach Außen und die Fortführung des Handelsgeschäfts und der Firma verlässt. Der Gesetzestext lautet wie folgt:
(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betrieb begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma eingewilligt haben.
(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.
(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.
In der Insolvenzberatung, aber auch in der Insolvenzverwaltung spielt § 25 HGH oft eine tragende Rolle, da dieser in der Insolvenz nur eingeschränkt Anwendung findet. Aufgrund der umfassenden Haftung für alle bestehenden Verbindlichkeiten wäre es dem Insolvenzverwalter wirtschaftlich unmöglich, Unternehmen im Ganzen zu verkaufen und so mit dem Erlös Insolvenzgläubiger bestmöglich zu befriedigen. Daher gelte § 25 HGB nicht, wenn der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung aus der Insolvenz ein massezugehöriges Unternehmen ganz oder in seinem wesentlichen Kern an einen Dritten veräußert.
Entscheidend für die Anwendung der Haftung des § 25 HGB ist der tatsächliche Zeitpunkt der Übernahme des Geschäftsbetriebes. Wenn dieser Zeitpunkt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt, kann das für den Erwerber oft zu einer erheblichen Belastung mit Altverbindlichkeiten des insolventen Unternehmens führen. Dies ist gerade nicht die Intention des Erwerbers eines Unternehmens aus der Insolvenz mit der Möglichkeit der Fortführung der alten Firmenbezeichnung.
Insoweit ist in der Beratungspraxis genau darauf zu achten, dass der Erwerb und die tatsächliche Übernahme der Geschäftsführung durch den Erwerber nach Verfahrenseröffnung geschehen. In der Theorie ist dies eindeutig, die Praxis bringt jedoch die Problemfälle. Oft finden die meist umfangreichen Verhandlungen zwischen Insolvenzverwalter und Erwerber im Zeitraum zwischen Insolvenzantragstellung und Insolvenzeröffnung statt. Nur wenn unmittelbar nach Insolvenzantragstellung der M & A Prozess, also die Zusammentragung der wesentlichen Unternehmensinformationen und die Ansprache möglicher Investoren, beginnt, ist eine Übertragung von wesentlichen Unternehmensteilen oder sogar die Übertragung des Unternehmen im Ganzen, möglich. Hierfür finden dann nach Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen konkrete Erwerbsgespräche statt. Je konkreter die Übernahme durch einen Erwerber wird, desto mehr Informationen werden diesem übermittelt. Nicht unüblich sind im Endstadium solcher Verhandlungen auch Gespräche mit Lieferanten und sogar Kunden. Hierbei sollte jedoch der Erwerber oder der auf Erwerberseite beratende Rechtsanwalt darauf achten, dass nicht bereits durch wesentliche Entscheidungen, Zusagen oder Vertragsschlüsse eine tatsächliche Übernahme der Geschäftsführung erfolgt. Dies könnte zu den o.g. Haftungsfällen des § 25 HGB führen.
Der BGH benennt in seiner Entscheidung ausdrücklich die Fälle, in denen eine Fortführung des Unternehmens außerhalb des Insolvenzverfahrens eines insolventen Unternehmens unter gleicher Firma geschieht. Erfolgt die Fortführung nachdem ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wurde oder führt der Dritte (wie im BGH Fall) das Unternehmen lediglich tatsächlich fort, ohne dass die Fortführung vom Insolvenzverwalter abgeleitet wurde, sind die vorgenannten insolvenzrechtlichen Wertungen nicht einschlägig und eine Haftung des Fortführenden ist nur konsequent.
Insoweit stellt der BGH durch sein o.g. Urteil klar, dass eine Fortführung nach Verfahrenseröffnung nicht immer vor den Haftungsrisiken des § 25 HGH bewahren. Vielmehr empfiehlt es sich, wenn man auf Erwerberseite den Kauf eines Unternehmens oder den Kauf von Unternehmensteilen erwägt, sich vorher umfangreich über die tatsächlichen und insbesondere rechtlichen Besonderheiten zu informieren, um ggf. spätere unüberschaubare Haftungsrisiken zu vermeiden.
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