Freitag, 18. Dezember 2015

Haftung eines Unternehmers für Altverbindlichkeiten eines insolventen Unternehmens

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung die Haftung eines Unternehmers für Altverbindlichkeiten eines insolventen Unternehmens, welcher auch nach Insolvenzeröffnung das insolvente Unternehmen tatsächlich fortführt, bestätigt.
 
In seinem Urteil vom 23.10.2013, Az. VIII ZR 423/12, sieht der entscheidende Senat trotz Insolvenzeröffnung die Anwendbarkeit des § 25 Handelsgesetzbuch als geben an. Denn auch bei einer rein tatsächlichen Fortführung eines insolventen Unternehmens unter der gleicher Firma ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters nach Verfahrenseröffnung sei § 25 HGB anwendbar.
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der ehemals faktische Geschäftsführer des insolventen Unternehmens nach Verfahrenseröffnung ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters die Geschäfte der Unternehmung tatsächlich fortgeführt. Somit hafte der Erwerber eines unter der bisherigen Firma fortgeführten Handelsgeschäfts grundsätzlich für die zuvor im Unternehmen begründeten Verbindlichkeiten. Dem Rechtsverkehr vermittele die Übernahme prägender Teile der Firma und des Unternehmens den Eindruck von Unternehmenskontinuität. Hierfür genüge eine rein tatsächliche Fortführung ohne rechtsgeschäftlichen Erwerb.
Dieses Urteil ist unter Berücksichtigung der Schutzwirkung des § 25 HGB nur konsequent. Die Regelung des § 25 HGB schützt den Rechtsverkehr, der sich auf die Kontinuität des Unternehmens nach Außen und die Fortführung des Handelsgeschäfts und der Firma verlässt. Der Gesetzestext lautet wie folgt:
(1)     Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betrieb begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma eingewilligt haben.
(2)     Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.
(3)     Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.
In der Insolvenzberatung, aber auch in der Insolvenzverwaltung spielt § 25 HGH oft eine tragende Rolle, da dieser in der Insolvenz nur eingeschränkt Anwendung findet. Aufgrund der umfassenden Haftung für alle bestehenden Verbindlichkeiten wäre es dem Insolvenzverwalter wirtschaftlich unmöglich, Unternehmen im Ganzen zu verkaufen und so mit dem Erlös Insolvenzgläubiger bestmöglich zu befriedigen. Daher gelte § 25 HGB nicht, wenn der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung aus der Insolvenz ein massezugehöriges Unternehmen ganz oder in seinem wesentlichen Kern an einen Dritten veräußert.
Entscheidend für die Anwendung der Haftung des § 25 HGB ist der tatsächliche Zeitpunkt der Übernahme des Geschäftsbetriebes. Wenn dieser Zeitpunkt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt, kann das für den Erwerber oft zu einer erheblichen Belastung mit Altverbindlichkeiten des insolventen Unternehmens führen. Dies ist gerade nicht die Intention des Erwerbers eines Unternehmens aus der Insolvenz mit der Möglichkeit der Fortführung der alten Firmenbezeichnung.
Insoweit ist in der Beratungspraxis genau darauf zu achten, dass der Erwerb und die tatsächliche Übernahme der Geschäftsführung durch den Erwerber nach Verfahrenseröffnung geschehen. In der Theorie ist dies eindeutig, die Praxis bringt jedoch die Problemfälle. Oft finden die meist umfangreichen Verhandlungen zwischen Insolvenzverwalter und Erwerber im Zeitraum zwischen Insolvenzantragstellung und Insolvenzeröffnung statt. Nur wenn unmittelbar nach Insolvenzantragstellung der M & A Prozess, also die Zusammentragung der wesentlichen Unternehmensinformationen und die Ansprache möglicher Investoren, beginnt, ist eine Übertragung von wesentlichen Unternehmensteilen oder sogar die Übertragung des Unternehmen im Ganzen, möglich. Hierfür finden dann nach Abschluss  von Vertraulichkeitsvereinbarungen konkrete Erwerbsgespräche statt. Je konkreter die Übernahme durch einen Erwerber wird, desto mehr Informationen werden diesem übermittelt. Nicht unüblich sind im Endstadium solcher Verhandlungen auch Gespräche mit Lieferanten und sogar Kunden. Hierbei sollte jedoch der Erwerber oder der auf Erwerberseite beratende Rechtsanwalt darauf achten, dass nicht bereits durch wesentliche Entscheidungen, Zusagen oder Vertragsschlüsse eine tatsächliche Übernahme der Geschäftsführung erfolgt. Dies könnte zu den o.g. Haftungsfällen des § 25 HGB führen.
Der BGH benennt in seiner Entscheidung ausdrücklich die Fälle, in denen eine Fortführung des Unternehmens außerhalb des Insolvenzverfahrens eines insolventen Unternehmens unter gleicher Firma geschieht. Erfolgt die Fortführung nachdem ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wurde oder führt der Dritte (wie im BGH Fall) das Unternehmen lediglich tatsächlich fort, ohne dass die Fortführung vom Insolvenzverwalter abgeleitet wurde, sind die vorgenannten insolvenzrechtlichen Wertungen nicht einschlägig und eine Haftung des Fortführenden ist nur konsequent.
Insoweit stellt der BGH durch sein o.g. Urteil klar, dass eine Fortführung nach Verfahrenseröffnung nicht immer vor den Haftungsrisiken des § 25 HGH bewahren. Vielmehr empfiehlt es sich, wenn man auf Erwerberseite den Kauf eines Unternehmens oder den Kauf von Unternehmensteilen erwägt, sich vorher umfangreich über die tatsächlichen und insbesondere rechtlichen Besonderheiten zu informieren, um ggf. spätere unüberschaubare Haftungsrisiken zu vermeiden.

Über

„Checkliste“ der Richterinnen und Richter des Amtsgerichts Charlottenburg – Handelsregister –betreffend die anzuwendenden Rechtsnormen bei grenzüberschreitenden Sitzverlegungen

„Checkliste“ der Richterinnen und Richter des Amtsgerichts Charlottenburg – Handelsregister –betreffend die anzuwendenden Rechtsnormen bei grenzüberschreitenden Sitzverlegungen:


 
 
 
 
 
 


 
 
 
 
 
 
 

Verbot der Umgehung des Gegenanwalts gilt auch für als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwalt

Verbot der Umgehung des Gegenanwalts gilt auch für als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwalt
BORA § 12
Das Verbot, ohne die Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufzunehmen oder zu verhandeln, gilt auch für einen Rechtsanwalt, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist und für die verwaltete Masse eine Forderung geltend macht.
BGH, Urt. v. 6.7.2015 - AnwZ (Brfg) 24/14
 
Volltext

Tatbestand

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er ist als Insolvenzverwalter tätig und wurde im Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. AG (fortan: Schuldnerin) zum Verwalter bestellt. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 forderte er den damaligen Vorstand der Schuldnerin zur Rückgewähr eines Betrages von 4.250 € zur Masse auf. Daraufhin zeigte Rechtsanwalt R. aus D. dessen anwaltliche Vertretung an und bat, jeglichen Schriftverkehr über sein Büro zu führen. In einem weiteren Schreiben nahm er sachlich zu dem vom Kläger erhobenen Anspruch Stellung. Der Kläger verlangte mit einem erneut an den Vorstand persönlich gerichteten Schreiben vom 16. Dezember 2011 weiterhin die Rückgewähr von 4.250 €. Das Schreiben war auf dem Briefpapier der Anwaltskanzlei G. & B. verfasst. Es enthielt den Satz: "In meiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter fordere ich Sie hiermit dazu auf, den Betrag von insgesamt 4.250,00 an folgendes Anderkonto zu überweisen ...". Unterschrieben war das Schreiben wie folgt: "C. S. , LL.M. Rechtsanwältin für Dr. H. G. Rechtsanwalt und vBP als Insolvenzverwalter".
Der Anwalt der Gegenseite beanstandete einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 43 BRAO, § 12 BORA. Mit Bescheid vom 18. April 2013 erteilte der Vorstand der Beklagten dem Kläger einen belehrenden Hinweis,
"dass das Umgehungsverbot ... auch im Rahmen der Tätigkeit als Partei kraft Amtes oder kraft Ernennung jedenfalls dann gilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Partei kraft Amtes nach außen als "Rechtsanwalt" auftritt und einen Zahlungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertretenen Dritten durchzusetzen sucht".
Der Kläger meint, er sei erkennbar als Insolvenzverwalter tätig geworden. Auf diese Tätigkeit sei § 12 BORA nicht anwendbar. Er hat beantragt, den belehrenden Hinweis der Beklagten an den Kläger vom 18. April 2013 gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO, wonach das Umgehungsverbot des § 43 BRAO i.V.m. § 12 Abs. 1 BORA auch für einen Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes gilt, zumindest wenn er nach außen als "Rechtsanwalt" auftritt und einen Zahlungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertretenen Dritten durchzusetzen sucht, aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Ihrer Ansicht nach gehört die Tätigkeit als Insolvenzverwalter zum Berufsbild des Rechtsanwalts. Die Berufsvorschriften für Rechtsanwälte seien anwendbar, wenn der Rechtsanwalt als solcher in Erscheinung trete, insbesondere seinen Briefkopf nutze.
Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen (ZIP 2014, 830 mit zust. Anm. Kleine-Cosack, EWiR 2014, 361).
Der Kläger beantragt nunmehr, 1. Das Urteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs (Az. BayAGH III - 4 - 5/13) vom 17. Februar 2014 wird aufgehoben.
2. Der belehrende Hinweis der Beklagten an den Kläger vom 18. April 2013 gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO, wonach das Umgehungsverbot des § 43 BRAO i.V.m. § 12 Abs. 1 BORA auch für einen Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes gilt, zumindest wenn er nach außen als "Rechtsanwalt" auftritt und einen Zahlungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertretenen Dritten durchzusetzen sucht, wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO kraft der Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 6 VwGO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 BRAO, § 42 VwGO statthaft. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt er fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, kann er ihn auf die Rechtsauffassung der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten belehren. Er kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Erteilt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer eine derartige missbilligende Belehrung, so stellt dies eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie anfechtbar (BGH, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 63; Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5).
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der belehrende Hinweis ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Nach § 12 Abs. 1 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) darf der Rechtsanwalt nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln. Gegen diese Bestimmung hat der Kläger verstoßen, indem er unter Nutzung des Briefkopfs der Sozietät den Geschäftsführer der Schuldnerin persönlich angeschrieben hat, obwohl sich bereits ein Rechtsanwalt für ihn gemeldet hatte. Das Schreiben vom 16. Dezember 2011 ist ein Schreiben des Klägers. Es ist in seinem Namen verfasst und von einer anderen Rechtsanwältin für ihn unterschrieben worden. Dass er das Schreiben nicht veranlasst habe, hat der Kläger nicht behauptet; hierfür gibt es auch keine sonstigen Anhaltspunkte.
b) Die Vorschrift des § 12 BORA ist verfassungsgemäß. Sie beruht auf der Satzungskompetenz, welche der bei der Bundesrechtsanwaltskammer eingerichteten Satzungsversammlung durch § 59b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 191a Abs. 2 BRAO übertragen worden ist (BVerfG, NJW 2001, 3325, 3326; BRAK-Mitt. 2009, 73, 77). Auch inhaltlich teilt der Senat die vom Kläger erhobenen Bedenken nicht. Zwar wird mit dem Umgehungsverbot in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen, weil es Rechtsanwälten den unmittelbaren Kontakt mit anwaltlich vertretenen Gegnern grundsätzlich untersagt und damit deren berufliche Tätigkeit reglementiert. Diese Beschränkung der Berufsfreiheit ist jedoch nicht nur durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert, sondern genügt auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BVerfG, BRAK-Mitt. 2009, 73, 77).
aa) Das Umgehungsverbot dient einer funktionsfähigen Rechtspflege und damit einem bedeutenden Gemeinwohlbelang. Es zielt vorrangig auf den Schutz des gegnerischen Mandanten. Hat dieser zur Wahrung seiner Rechte die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erachtet, so soll er davor geschützt sein, bei direkter Kontaktaufnahme durch den Rechtsanwalt der Gegenseite wegen fehlender eigener Rechtskenntnisse und mangels rechtlicher Beratung übervorteilt zu werden (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2003 - V ZR 429/02, NJW 2003, 3692, 3693). Mit diesem Schutz vor Überrumpelung dient die Regelung einem fairen Verfahren und damit dem Gemeinwohlinteresse an einer geordneten Rechtspflege. Daneben liegt dem Umgehungsverbot die Überlegung zugrunde, dass durch den unmittelbaren Kontakt zwischen Rechtsanwälten die sachgerechte und zügige Erledigung einer Rechtssache gefördert wird. Auch dies dient der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege.
bb) Der Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung ist geeignet, das angestrebte Ziel einer geordneten Rechtspflege insbesondere durch den Schutz der Rechtsuchenden vor Überrumpelung zu erreichen. Ein weniger belastendes, aber gleichermaßen wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. Wird schließlich das Gewicht des verfolgten Gemeinwohlziels der vergleichsweise geringen Belastung gegenübergestellt, die mit dem Verbot des unmittelbaren Kontakts zum anwaltlich vertretenen Gegner verbunden ist, so zeigt sich, dass das Umgehungsverbot den betroffenen Rechtsanwälten grundsätzlich zumutbar ist.
c) Der Kläger war auch insofern Adressat des Verbotes des § 12 BORA, als er in seiner Eigenschaft als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin gehandelt hat.
aa) Die Vorschriften der Berufsordnung richten sich an Rechtsanwälte im Sinne der Bundesrechtsanwaltsordnung. Sie ist von der bei der Bundesrechtsanwaltskammer eingerichteten Satzungsversammlung (§ 191a Abs. 1 BRAO) aufgrund der dieser in § 59b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 191a Abs. 2 BRAO übertragenen Satzungskompetenz erlassen worden. Wer nicht Rechtsanwalt ist, braucht die Vorschriften der Berufsordnung der Rechtsanwälte nicht einzuhalten.
bb) Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er hat das Mahnschreiben vom 16. Dezember 2011 auf dem Briefpapier der Sozietät verfasst, welcher er angehört, und die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" auch in der Unterschriftszeile verwandt. Zugleich hat er zum Ausdruck gebracht, in seiner Eigenschaft als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu handeln. Damit hat er den Anwendungsbereich des § 12 BORA jedoch nicht verlassen. Ein Anwalt, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist und für die verwaltete Masse Forderungen einzieht, hat sich an das Umgehungsverbot des § 12 BORA zu halten.
(1) Verfassungsrechtlich ist die Insolvenzverwaltung ein eigenständiger Beruf. Das Bundesverfassungsgericht hat die Tätigkeit von Insolvenzverwaltern schon im Jahre 2004 nicht mehr als bloße Nebentätigkeit der Berufsausübung von Rechtsanwälten oder von Kaufleuten angesehen, sondern als Beruf im Sinne von Art. 12 GG, der vielen Personen maßgeblich zur Schaffung und Aufrechterhaltung der Lebensgrundlage diene, entweder allein oder neben einem anderen Beruf (BVerfG, WM 2004, 1781, 1782; ebenso z.B. Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 56 Rn. 4). Es hat hieraus das Erfordernis eines justiziablen Vorauswahlverfahrens abgeleitet, welches dem einzelnen Bewerber den Zugang zu gerichtlichen Bestellungen gibt. Der Bundesgerichtshof geht in gefestigter Rechtsprechung ebenfalls davon aus, dass die Ausübung des Amtes eines Insolvenzverwalters durch Art. 12 GG geschützt ist, und macht deshalb die Entlassung eines Insolvenzverwalters gemäß § 56 InsO grundsätzlich vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2005 - IX ZB 308/04, WM 2006, 440, 44; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - IX ZB 35/09, WM 2009, 1662 Rn. 6 zum Amt des Treuhänders).
(2) Der Zugang zum verfassungsrechtlich anerkannten Beruf des Insolvenzverwalters ist damit in den Vorschriften der Insolvenzordnung, insbesondere in den §§ 56 ff. InsO besonders geregelt, welche nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform auszulegen sind. Die Ausübung des Berufs des Insolvenzverwalters hat dagegen keine gesetzliche Regelung erfahren. In der Insolvenzordnung finden sich lediglich Bestimmungen zur Abwahl, Entlassung, Vergütung und Haftung des Verwalters sowie zu einer Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Verwalter, die allein auf das jeweilige Insolvenzverfahren bezogen ist. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2004 - WpSt (R) 1/04, BGHSt 49, 258, 263 f. = NJW 2005, 1057, 1058) es für möglich gehalten, auf die Vorschriften der Berufsordnung desjenigen Berufs zurückzugreifen, welchem der Verwalter angehört. Voraussetzung ist, dass die Verwaltungstätigkeit dem Berufsbild des jeweiligen freien Berufs zugeordnet werden kann. Ist dies der Fall, ist unter Beachtung der Grundsätze der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen, ob das konkrete Verhalten des Verwalters an den einschlägigen Vorschriften der Berufsordnung zu messen ist. Die durch sie statuierten Berufspflichten sind bereichsspezifisch auszulegen.
An den im Urteil vom 12. Oktober 2004 entwickelten Grundsätzen hält der Senat insbesondere deshalb fest, weil es nach wie vor es keine Berufsordnung für Insolvenzverwalter gibt (ebenso etwa Henssler/Prütting/Busse, BRAO, 4. Aufl., § 3 Rn. 14; Kleine-Cosack, EWiR 2014, 361, 362; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 14. Aufl., § 58 Rn. 26 f.; HmbKomm-InsO/Frind, 5. Aufl., § 58 Rn. 4; K. Schmidt/Ries, InsO, 8. Aufl., § 56 Rn. 59; Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 56 Rn. 35; Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, 2010, S. 47 ff.; iE auch Jaeger/Gerhardt, InsO, § 58 Rn. 19). Die eingangs zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht diesem rechtlichen Ansatz nicht entgegen. Der Begriff des Berufs im Sinne von Art. 12 GG unterscheidet sich von demjenigen, welcher der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Berufsordnung der Rechtsanwälte zugrunde liegt. Unter einem Beruf im verfassungsrechtlichen Sinne wird jede erlaubte Tätigkeit verstanden, unabhängig davon, ob sie einem traditionellen oder rechtlich fixierten Berufsbild entspricht (BVerfGE, 68, 272, 281; 78, 179, 193; BVerfG, ZIP 2002, 2048, 2049). Bestimmte Tätigkeitsfelder eines überkommenen oder gesetzlich geregelten Berufsbildes können also einen Beruf im verfassungsrechtlichen Sinne darstellen. Die verfassungsrechtliche Anerkennung einer Tätigkeit als "Beruf" sagt deshalb nichts darüber aus, ob diese Tätigkeit zu einem weiter gefassten überkommenen oder gesetzlich geregelten Beruf gehört und damit den betreffenden Regelungen unterfällt.
cc) Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter (§ 56 InsO), als Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren (§ 313 InsO), als Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode (§ 292 InsO) oder als Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung (§ 270 InsO) gehört zum Berufsbild des Rechtsanwalts (BGH, Urteil vom 17. Januar 1985 - IX ZR 59/84, BGHZ 93, 278, 286 (obiter); Henssler in Prütting/Henssler, BRAO, 4. Aufl., § 59c Rn. 6; Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO, 8. Aufl., Einl BRAO Rn. 18; aA etwa Brüning, Die berufsrechtliche Stellung des Rechtsanwalts als Funktionsträger im Insolvenzverfahren, 1998, S. 279 f.; Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2296).
(1) Die Verwaltertätigkeit unterscheidet sich vom Kernbereich der anwaltlichen Tätigkeit, die insbesondere in § 3 BRAO beschrieben wird. Als Insolvenzverwalter wird der Anwalt nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie rechtsberatend tätig. Er vertritt den Schuldner nicht nur in Rechtsangelegenheiten (vgl. § 3 Abs. 1 BRAO), sondern ist - weit darüber hinausgehend - von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an befugt, dessen zur Masse gehörendes Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO). Diese Befugnis verdankt er nicht der freien Wahl des Schuldners (vgl. § 3 Abs. 3 BRAO), sondern einem Hoheitsakt, nämlich seiner Bestellung durch das Insolvenzgericht (vgl. § 56 InsO). Die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 3 BRAO, welche der Abgrenzung des Berufs des Rechtsanwalts von nicht anwaltlichen Zweitberufen dienen soll (BT-Drucks. 12/4993, S. 29), scheint zwischen der Tätigkeit des Rechtsanwalts und der Tätigkeit des Rechtsanwalts als Insolvenzverwalter unterscheiden zu wollen.
(2) Auf der anderen Seite sind Rechtsanwälte jedoch seit dem Inkrafttreten der Konkursordnung im Jahre 1879 zu Konkursverwaltern bestellt und seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 als Insolvenzverwalter tätig geworden. Konkurs- und Insolvenzverwalter mussten und müssen zwar nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sein. Schon in den Materialien zur Konkursordnung (Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 4, Neudruck 1983, S. 279 f.) heißt es, der Entwurf sehe bewusst davon ab, "die im Einzelfall ebenso schwierige wie verantwortliche Auswahl des Verwalters durch die Beschränkung auf eine bestimmte Klasse von Personen zu erleichtern". Die Anforderungen an einen Verwalter wurden schon damals und werden auch heute in § 56 InsO nicht berufsrechtlich beschrieben, sondern nach den Anforderungen, welche die Verwaltung im jeweiligen Einzelfall voraussichtlich stellt. Gleichwohl stand nie im Zweifel, dass Rechtsanwälte zu Konkurs- und später zu Insolvenzverwaltern bestellt werden konnten und können. In den bereits zitierten Materialien ist von den "grundsätzlich nirgendwo ausgeschlossenen Rechtsanwälten" die Rede (Hahn/Mugdan, aaO S. 280). Die Beklagte hat vorgetragen und durch Auszüge aus der Fachliteratur belegt, dass derzeit mehr als 90 v.H. der Insolvenzverwalter Rechtsanwälte sind. Im Jahr 2001 soll der Anteil der Rechtsanwälte unter den Insolvenzverwaltern bei knapp 90 v.H. gelegen haben, während er im Jahr 1978 noch bei 56 v.H. lag (Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, 2010, S. 32 f.).
(3) Berufsrechtliche Folgen hat die Verwaltertätigkeit für die zu Insolvenzverwaltern bestellten Rechtsanwälte mit Recht nicht nach sich gezogen. Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter stellt für einen Rechtsanwalt keinen Zweitberuf im berufsrechtlichen Sinne dar, dessen Zulässigkeit bei der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 7 Nr. 8 BRAO oder später gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO eigens geprüft werden müsste. Gegenteiliges behauptet selbst der Kläger nicht. Die Fachanwaltsordnung, welche die bei der Bundesrechtsanwaltskammer eingerichtete Satzungsversammlung aufgrund der Satzungskompetenz des § 43c Abs. 1 Satz 2, § 59b Abs. 2 Nr. 2 BRAO erlassen hat, versteht die Insolvenzverwaltertätigkeit als Teil der Anwaltstätigkeit. Dies zeigt besonders die Vorschrift des § 5 Abs. 1 lit. g FAO. Ein Rechtsanwalt, der die Bezeichnung "Fachanwalt für Insolvenzrecht" führen will, muss unter anderem nachweisen, "als Rechtsanwalt" persönlich und weisungsfrei mindestens fünf eröffnete Insolvenzverfahren aus dem ersten bis sechsten Teil der Insolvenzordnung bearbeitet zu haben. Das wäre nicht möglich, wenn es sich bei der Insolvenzverwaltung nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handelte.
dd) Die bereichsspezifische Auslegung des § 12 BORA ergibt, dass sich der zum Insolvenzverwalter bestellte Rechtsanwalt, der Forderungen der Masse gegen einen anwaltlich vertretenen Gegner durchzusetzen versucht, sich an das Umgehungsverbot des § 12 BORA zu halten hat.
(1) Die außergerichtliche und gerichtliche Durchsetzung einer Forderung ist eine typische Anwaltstätigkeit. Insbesondere dann, wenn der Gegner nicht nur nicht zahlt, sondern Einwände gegen den Bestand und die Durchsetzbarkeit erhebt, wird ein Anwalt beauftragt, der diese Angelegenheit vom ersten Anspruchsschreiben über die gerichtliche Geltendmachung der Forderung bis zur Beitreibung des geschuldeten Betrages im Wege der Zwangsvollstreckung bearbeiten kann. Die Einziehung fremder Forderungen ist eine Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RDG). Inkassodienstleistungen erfordern gemäß § 11 Abs. 1 RDG besondere Sachkunde in den für die beantragte Inkassotätigkeit bedeutsamen Gebieten des Rechts.
(2) Aus Sicht des Forderungsschuldners unterscheidet sich das Anspruchsschreiben eines Anwalts, der zugleich Insolvenzverwalter ist, nicht von einem entsprechenden Schreiben eines Anwalts, der einen Mandanten kraft eines ihm erteilten Auftrags (§ 675 BGB) vertritt. Schutzbedürftig ist er in beiden Fällen. In beiden Fällen sieht er sich einem sachkundigen und ihm an Rechtskenntnissen überlegenen Gegner gegenüber. Er wird in der Regel nicht unterscheiden können, ob ein zum Insolvenzverwalter bestellter Anwalt, der den Briefkopf seiner Anwaltskanzlei verwendet und sich bei der Unterzeichnung des Schreibens durch einen anderen Anwalt vertreten lässt, als Insolvenzverwalter oder als Anwalt handelt oder handeln will. Beauftragt er seinerseits einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen, befindet er sich in derjenigen Situation, die § 12 BORA voraussetzt und in der er vor Überrumpelung und Übervorteilung mangels eigener Rechtskenntnisse geschützt werden soll. In der berufsrechtlichen Kommentarliteratur wird folgerichtig danach unterschieden, ob der Anwalt, der als Partei kraft Amtes oder in eigener Sache tätig wird, als Privatmann oder als Rechtsanwalt auftritt. Werde etwa - wie im vorliegenden Fall - das Briefpapier der Anwaltskanzlei verwandt, trete der Anwalt als solcher in Erscheinung und habe sich grundsätzlich an das Umgehungsverbot des § 12 BORA zu halten (Feuerich/Weyland/Böhnlein, BRAO, 8. Aufl., § 12 BORA Rn. 4; Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 12 BORA/§ 43 BRAO Rn. 10; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 12 BORA Rn. 5; Nasse, BRAK-Mitt. 2007, 14, 15; weitergehend für eine Geltung des § 12 BORA unabhängig vom "Auftritt" des Anwalts Steike, NJW 2007, 1411 ff.; Thümmel, NJW 2011, 1850 ff.; aA Hartung, AnwBl. 2007, 64, 65; ders., Berufs- und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl., § 12 BORA Rn. 21 ff.; Feuerich/Weyland/Böhnlein, BRAO, 8. Aufl., § 12 BORA Rn. 4; wohl auch Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 12 BORA Rn. 2).
(3) Die weitere der Vorschrift des § 12 BORA zugrunde liegende Überlegung, dass die Verhandlungen zwischen den Berufsträgern zu einer Versachlichung der Auseinandersetzung, zu einer schnelleren Einigung und damit zur Funktionsfähigkeit der Rechtspflege beitragen können, greift ebenfalls unabhängig davon ein, ob der Anwalt eine Forderung der von ihm verwalteten Insolvenzmasse oder eine solche eines Mandanten einzieht. Insolvenzrechtliche Besonderheiten sind nicht zu berücksichtigen. In der Kommentarliteratur wird die Anwendung des § 12 BORA auf den Umgang des zum Insolvenzverwalter bestellten Anwalts mit dem anwaltlich vertretenen Schuldner in Zweifel gezogen, soweit es um dessen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 97 InsO geht (Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 12 BORA/§ 43 BRAO Rn. 8; Jaeger/Schilken, InsO, § 97 Rn. 11; MünchKomm-InsO/Stephan, 3. Aufl., § 97 Rn. 26; K.Schmidt/Ries, InsO, 18. Aufl., § 56 Rn. 59; HmbKomm-InsO/Herchen, 5. Aufl., § 97 Rn. 11; vgl. bereits RAK Düsseldorf KTS 1956, 63). Bei § 97 InsO handelt es sich um eine zentrale, das Insolvenzverfahren prägende Vorschrift, welche auf der Überlegung beruht, dass das Insolvenzverfahren nur dann effektiv durchgeführt werden kann, wenn der Schuldner mitwirkt (Jaeger/Schilken, InsO, § 97 Rn. 3; HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 97 Rn. 1). Der Schuldner hat sich deshalb auf Anordnung des Insolvenzgerichts jederzeit zur Verfügung des Verwalters zu halten, um die erforderlichen Auskünfte zu erteilen (Schilken, aaO Rn. 4; HK-InsO/Kayser, aaO Rn. 2). Der Grundsatz der "Waffengleichheit" und der mit § 12 BORA beabsichtigte Schutz vor Überrumpelung tritt hier zurück. Das Ziel einer effektiven Rechtspflege wird durch die unmittelbare Befragung des Schuldners eher verwirklicht als durch die Einschaltung eines rechtlichen Beraters, der nicht zur jederzeitigen Auskunftsbereitschaft angehalten werden kann.
Forderungen der Masse sind hingegen nach den allgemeinen Regeln geltend zu machen. Im Zivilprozess gelten insoweit keine Besonderheiten. Dann spricht auch nichts gegen die Einhaltung des Umgehungsverbotes des § 12 BORA.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1, 2 GKG. Fehlen Anhaltspunkte für eine Streitwertbestimmung, ist für das Klagebegehren der Regelstreitwert von 5.000 € anzusetzen (§ 52 Abs. 2 GKG).
Kayser Roggenbuck Lohmann Quaas Schäfer Vorinstanz:
AGH München, Entscheidung vom 17.02.2014 - BayAGH

Tatbestand

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er ist als Insolvenzverwalter tätig und wurde im Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. AG (fortan: Schuldnerin) zum Verwalter bestellt. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 forderte er den damaligen Vorstand der Schuldnerin zur Rückgewähr eines Betrages von 4.250 € zur Masse auf. Daraufhin zeigte Rechtsanwalt R. aus D. dessen anwaltliche Vertretung an und bat, jeglichen Schriftverkehr über sein Büro zu führen. In einem weiteren Schreiben nahm er sachlich zu dem vom Kläger erhobenen Anspruch Stellung. Der Kläger verlangte mit einem erneut an den Vorstand persönlich gerichteten Schreiben vom 16. Dezember 2011 weiterhin die Rückgewähr von 4.250 €. Das Schreiben war auf dem Briefpapier der Anwaltskanzlei G. & B. verfasst. Es enthielt den Satz: "In meiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter fordere ich Sie hiermit dazu auf, den Betrag von insgesamt 4.250,00 an folgendes Anderkonto zu überweisen ...". Unterschrieben war das Schreiben wie folgt: "C. S. , LL.M. Rechtsanwältin für Dr. H. G. Rechtsanwalt und vBP als Insolvenzverwalter".
Der Anwalt der Gegenseite beanstandete einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 43 BRAO, § 12 BORA. Mit Bescheid vom 18. April 2013 erteilte der Vorstand der Beklagten dem Kläger einen belehrenden Hinweis,
"dass das Umgehungsverbot ... auch im Rahmen der Tätigkeit als Partei kraft Amtes oder kraft Ernennung jedenfalls dann gilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Partei kraft Amtes nach außen als "Rechtsanwalt" auftritt und einen Zahlungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertretenen Dritten durchzusetzen sucht".
Der Kläger meint, er sei erkennbar als Insolvenzverwalter tätig geworden. Auf diese Tätigkeit sei § 12 BORA nicht anwendbar. Er hat beantragt, den belehrenden Hinweis der Beklagten an den Kläger vom 18. April 2013 gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO, wonach das Umgehungsverbot des § 43 BRAO i.V.m. § 12 Abs. 1 BORA auch für einen Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes gilt, zumindest wenn er nach außen als "Rechtsanwalt" auftritt und einen Zahlungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertretenen Dritten durchzusetzen sucht, aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Ihrer Ansicht nach gehört die Tätigkeit als Insolvenzverwalter zum Berufsbild des Rechtsanwalts. Die Berufsvorschriften für Rechtsanwälte seien anwendbar, wenn der Rechtsanwalt als solcher in Erscheinung trete, insbesondere seinen Briefkopf nutze.
Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen (ZIP 2014, 830 mit zust. Anm. Kleine-Cosack, EWiR 2014, 361).
Der Kläger beantragt nunmehr, 1. Das Urteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs (Az. BayAGH III - 4 - 5/13) vom 17. Februar 2014 wird aufgehoben.
2. Der belehrende Hinweis der Beklagten an den Kläger vom 18. April 2013 gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO, wonach das Umgehungsverbot des § 43 BRAO i.V.m. § 12 Abs. 1 BORA auch für einen Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes gilt, zumindest wenn er nach außen als "Rechtsanwalt" auftritt und einen Zahlungsanspruch gegen einen in gleicher Sache anwaltlich vertretenen Dritten durchzusetzen sucht, wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO kraft der Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 6 VwGO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 BRAO, § 42 VwGO statthaft. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt er fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, kann er ihn auf die Rechtsauffassung der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten belehren. Er kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Erteilt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer eine derartige missbilligende Belehrung, so stellt dies eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie anfechtbar (BGH, Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 63; Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn. 5).
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der belehrende Hinweis ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Nach § 12 Abs. 1 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) darf der Rechtsanwalt nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln. Gegen diese Bestimmung hat der Kläger verstoßen, indem er unter Nutzung des Briefkopfs der Sozietät den Geschäftsführer der Schuldnerin persönlich angeschrieben hat, obwohl sich bereits ein Rechtsanwalt für ihn gemeldet hatte. Das Schreiben vom 16. Dezember 2011 ist ein Schreiben des Klägers. Es ist in seinem Namen verfasst und von einer anderen Rechtsanwältin für ihn unterschrieben worden. Dass er das Schreiben nicht veranlasst habe, hat der Kläger nicht behauptet; hierfür gibt es auch keine sonstigen Anhaltspunkte.
b) Die Vorschrift des § 12 BORA ist verfassungsgemäß. Sie beruht auf der Satzungskompetenz, welche der bei der Bundesrechtsanwaltskammer eingerichteten Satzungsversammlung durch § 59b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 191a Abs. 2 BRAO übertragen worden ist (BVerfG, NJW 2001, 3325, 3326; BRAK-Mitt. 2009, 73, 77). Auch inhaltlich teilt der Senat die vom Kläger erhobenen Bedenken nicht. Zwar wird mit dem Umgehungsverbot in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen, weil es Rechtsanwälten den unmittelbaren Kontakt mit anwaltlich vertretenen Gegnern grundsätzlich untersagt und damit deren berufliche Tätigkeit reglementiert. Diese Beschränkung der Berufsfreiheit ist jedoch nicht nur durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert, sondern genügt auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BVerfG, BRAK-Mitt. 2009, 73, 77).
aa) Das Umgehungsverbot dient einer funktionsfähigen Rechtspflege und damit einem bedeutenden Gemeinwohlbelang. Es zielt vorrangig auf den Schutz des gegnerischen Mandanten. Hat dieser zur Wahrung seiner Rechte die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erachtet, so soll er davor geschützt sein, bei direkter Kontaktaufnahme durch den Rechtsanwalt der Gegenseite wegen fehlender eigener Rechtskenntnisse und mangels rechtlicher Beratung übervorteilt zu werden (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2003 - V ZR 429/02, NJW 2003, 3692, 3693). Mit diesem Schutz vor Überrumpelung dient die Regelung einem fairen Verfahren und damit dem Gemeinwohlinteresse an einer geordneten Rechtspflege. Daneben liegt dem Umgehungsverbot die Überlegung zugrunde, dass durch den unmittelbaren Kontakt zwischen Rechtsanwälten die sachgerechte und zügige Erledigung einer Rechtssache gefördert wird. Auch dies dient der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege.
bb) Der Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung ist geeignet, das angestrebte Ziel einer geordneten Rechtspflege insbesondere durch den Schutz der Rechtsuchenden vor Überrumpelung zu erreichen. Ein weniger belastendes, aber gleichermaßen wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. Wird schließlich das Gewicht des verfolgten Gemeinwohlziels der vergleichsweise geringen Belastung gegenübergestellt, die mit dem Verbot des unmittelbaren Kontakts zum anwaltlich vertretenen Gegner verbunden ist, so zeigt sich, dass das Umgehungsverbot den betroffenen Rechtsanwälten grundsätzlich zumutbar ist.
c) Der Kläger war auch insofern Adressat des Verbotes des § 12 BORA, als er in seiner Eigenschaft als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin gehandelt hat.
aa) Die Vorschriften der Berufsordnung richten sich an Rechtsanwälte im Sinne der Bundesrechtsanwaltsordnung. Sie ist von der bei der Bundesrechtsanwaltskammer eingerichteten Satzungsversammlung (§ 191a Abs. 1 BRAO) aufgrund der dieser in § 59b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 191a Abs. 2 BRAO übertragenen Satzungskompetenz erlassen worden. Wer nicht Rechtsanwalt ist, braucht die Vorschriften der Berufsordnung der Rechtsanwälte nicht einzuhalten.
bb) Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er hat das Mahnschreiben vom 16. Dezember 2011 auf dem Briefpapier der Sozietät verfasst, welcher er angehört, und die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" auch in der Unterschriftszeile verwandt. Zugleich hat er zum Ausdruck gebracht, in seiner Eigenschaft als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu handeln. Damit hat er den Anwendungsbereich des § 12 BORA jedoch nicht verlassen. Ein Anwalt, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist und für die verwaltete Masse Forderungen einzieht, hat sich an das Umgehungsverbot des § 12 BORA zu halten.
(1) Verfassungsrechtlich ist die Insolvenzverwaltung ein eigenständiger Beruf. Das Bundesverfassungsgericht hat die Tätigkeit von Insolvenzverwaltern schon im Jahre 2004 nicht mehr als bloße Nebentätigkeit der Berufsausübung von Rechtsanwälten oder von Kaufleuten angesehen, sondern als Beruf im Sinne von Art. 12 GG, der vielen Personen maßgeblich zur Schaffung und Aufrechterhaltung der Lebensgrundlage diene, entweder allein oder neben einem anderen Beruf (BVerfG, WM 2004, 1781, 1782; ebenso z.B. Zipperer in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 56 Rn. 4). Es hat hieraus das Erfordernis eines justiziablen Vorauswahlverfahrens abgeleitet, welches dem einzelnen Bewerber den Zugang zu gerichtlichen Bestellungen gibt. Der Bundesgerichtshof geht in gefestigter Rechtsprechung ebenfalls davon aus, dass die Ausübung des Amtes eines Insolvenzverwalters durch Art. 12 GG geschützt ist, und macht deshalb die Entlassung eines Insolvenzverwalters gemäß § 56 InsO grundsätzlich vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2005 - IX ZB 308/04, WM 2006, 440, 44; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - IX ZB 35/09, WM 2009, 1662 Rn. 6 zum Amt des Treuhänders).
(2) Der Zugang zum verfassungsrechtlich anerkannten Beruf des Insolvenzverwalters ist damit in den Vorschriften der Insolvenzordnung, insbesondere in den §§ 56 ff. InsO besonders geregelt, welche nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform auszulegen sind. Die Ausübung des Berufs des Insolvenzverwalters hat dagegen keine gesetzliche Regelung erfahren. In der Insolvenzordnung finden sich lediglich Bestimmungen zur Abwahl, Entlassung, Vergütung und Haftung des Verwalters sowie zu einer Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Verwalter, die allein auf das jeweilige Insolvenzverfahren bezogen ist. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2004 - WpSt (R) 1/04, BGHSt 49, 258, 263 f. = NJW 2005, 1057, 1058) es für möglich gehalten, auf die Vorschriften der Berufsordnung desjenigen Berufs zurückzugreifen, welchem der Verwalter angehört. Voraussetzung ist, dass die Verwaltungstätigkeit dem Berufsbild des jeweiligen freien Berufs zugeordnet werden kann. Ist dies der Fall, ist unter Beachtung der Grundsätze der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen, ob das konkrete Verhalten des Verwalters an den einschlägigen Vorschriften der Berufsordnung zu messen ist. Die durch sie statuierten Berufspflichten sind bereichsspezifisch auszulegen.
An den im Urteil vom 12. Oktober 2004 entwickelten Grundsätzen hält der Senat insbesondere deshalb fest, weil es nach wie vor es keine Berufsordnung für Insolvenzverwalter gibt (ebenso etwa Henssler/Prütting/Busse, BRAO, 4. Aufl., § 3 Rn. 14; Kleine-Cosack, EWiR 2014, 361, 362; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 14. Aufl., § 58 Rn. 26 f.; HmbKomm-InsO/Frind, 5. Aufl., § 58 Rn. 4; K. Schmidt/Ries, InsO, 8. Aufl., § 56 Rn. 59; Lind in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 56 Rn. 35; Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, 2010, S. 47 ff.; iE auch Jaeger/Gerhardt, InsO, § 58 Rn. 19). Die eingangs zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht diesem rechtlichen Ansatz nicht entgegen. Der Begriff des Berufs im Sinne von Art. 12 GG unterscheidet sich von demjenigen, welcher der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Berufsordnung der Rechtsanwälte zugrunde liegt. Unter einem Beruf im verfassungsrechtlichen Sinne wird jede erlaubte Tätigkeit verstanden, unabhängig davon, ob sie einem traditionellen oder rechtlich fixierten Berufsbild entspricht (BVerfGE, 68, 272, 281; 78, 179, 193; BVerfG, ZIP 2002, 2048, 2049). Bestimmte Tätigkeitsfelder eines überkommenen oder gesetzlich geregelten Berufsbildes können also einen Beruf im verfassungsrechtlichen Sinne darstellen. Die verfassungsrechtliche Anerkennung einer Tätigkeit als "Beruf" sagt deshalb nichts darüber aus, ob diese Tätigkeit zu einem weiter gefassten überkommenen oder gesetzlich geregelten Beruf gehört und damit den betreffenden Regelungen unterfällt.
cc) Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter (§ 56 InsO), als Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren (§ 313 InsO), als Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode (§ 292 InsO) oder als Sachwalter im Rahmen der Eigenverwaltung (§ 270 InsO) gehört zum Berufsbild des Rechtsanwalts (BGH, Urteil vom 17. Januar 1985 - IX ZR 59/84, BGHZ 93, 278, 286 (obiter); Henssler in Prütting/Henssler, BRAO, 4. Aufl., § 59c Rn. 6; Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO, 8. Aufl., Einl BRAO Rn. 18; aA etwa Brüning, Die berufsrechtliche Stellung des Rechtsanwalts als Funktionsträger im Insolvenzverfahren, 1998, S. 279 f.; Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2296).
(1) Die Verwaltertätigkeit unterscheidet sich vom Kernbereich der anwaltlichen Tätigkeit, die insbesondere in § 3 BRAO beschrieben wird. Als Insolvenzverwalter wird der Anwalt nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie rechtsberatend tätig. Er vertritt den Schuldner nicht nur in Rechtsangelegenheiten (vgl. § 3 Abs. 1 BRAO), sondern ist - weit darüber hinausgehend - von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an befugt, dessen zur Masse gehörendes Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO). Diese Befugnis verdankt er nicht der freien Wahl des Schuldners (vgl. § 3 Abs. 3 BRAO), sondern einem Hoheitsakt, nämlich seiner Bestellung durch das Insolvenzgericht (vgl. § 56 InsO). Die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 3 BRAO, welche der Abgrenzung des Berufs des Rechtsanwalts von nicht anwaltlichen Zweitberufen dienen soll (BT-Drucks. 12/4993, S. 29), scheint zwischen der Tätigkeit des Rechtsanwalts und der Tätigkeit des Rechtsanwalts als Insolvenzverwalter unterscheiden zu wollen.
(2) Auf der anderen Seite sind Rechtsanwälte jedoch seit dem Inkrafttreten der Konkursordnung im Jahre 1879 zu Konkursverwaltern bestellt und seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 als Insolvenzverwalter tätig geworden. Konkurs- und Insolvenzverwalter mussten und müssen zwar nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sein. Schon in den Materialien zur Konkursordnung (Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 4, Neudruck 1983, S. 279 f.) heißt es, der Entwurf sehe bewusst davon ab, "die im Einzelfall ebenso schwierige wie verantwortliche Auswahl des Verwalters durch die Beschränkung auf eine bestimmte Klasse von Personen zu erleichtern". Die Anforderungen an einen Verwalter wurden schon damals und werden auch heute in § 56 InsO nicht berufsrechtlich beschrieben, sondern nach den Anforderungen, welche die Verwaltung im jeweiligen Einzelfall voraussichtlich stellt. Gleichwohl stand nie im Zweifel, dass Rechtsanwälte zu Konkurs- und später zu Insolvenzverwaltern bestellt werden konnten und können. In den bereits zitierten Materialien ist von den "grundsätzlich nirgendwo ausgeschlossenen Rechtsanwälten" die Rede (Hahn/Mugdan, aaO S. 280). Die Beklagte hat vorgetragen und durch Auszüge aus der Fachliteratur belegt, dass derzeit mehr als 90 v.H. der Insolvenzverwalter Rechtsanwälte sind. Im Jahr 2001 soll der Anteil der Rechtsanwälte unter den Insolvenzverwaltern bei knapp 90 v.H. gelegen haben, während er im Jahr 1978 noch bei 56 v.H. lag (Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, 2010, S. 32 f.).
(3) Berufsrechtliche Folgen hat die Verwaltertätigkeit für die zu Insolvenzverwaltern bestellten Rechtsanwälte mit Recht nicht nach sich gezogen. Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter stellt für einen Rechtsanwalt keinen Zweitberuf im berufsrechtlichen Sinne dar, dessen Zulässigkeit bei der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 7 Nr. 8 BRAO oder später gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO eigens geprüft werden müsste. Gegenteiliges behauptet selbst der Kläger nicht. Die Fachanwaltsordnung, welche die bei der Bundesrechtsanwaltskammer eingerichtete Satzungsversammlung aufgrund der Satzungskompetenz des § 43c Abs. 1 Satz 2, § 59b Abs. 2 Nr. 2 BRAO erlassen hat, versteht die Insolvenzverwaltertätigkeit als Teil der Anwaltstätigkeit. Dies zeigt besonders die Vorschrift des § 5 Abs. 1 lit. g FAO. Ein Rechtsanwalt, der die Bezeichnung "Fachanwalt für Insolvenzrecht" führen will, muss unter anderem nachweisen, "als Rechtsanwalt" persönlich und weisungsfrei mindestens fünf eröffnete Insolvenzverfahren aus dem ersten bis sechsten Teil der Insolvenzordnung bearbeitet zu haben. Das wäre nicht möglich, wenn es sich bei der Insolvenzverwaltung nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handelte.
dd) Die bereichsspezifische Auslegung des § 12 BORA ergibt, dass sich der zum Insolvenzverwalter bestellte Rechtsanwalt, der Forderungen der Masse gegen einen anwaltlich vertretenen Gegner durchzusetzen versucht, sich an das Umgehungsverbot des § 12 BORA zu halten hat.
(1) Die außergerichtliche und gerichtliche Durchsetzung einer Forderung ist eine typische Anwaltstätigkeit. Insbesondere dann, wenn der Gegner nicht nur nicht zahlt, sondern Einwände gegen den Bestand und die Durchsetzbarkeit erhebt, wird ein Anwalt beauftragt, der diese Angelegenheit vom ersten Anspruchsschreiben über die gerichtliche Geltendmachung der Forderung bis zur Beitreibung des geschuldeten Betrages im Wege der Zwangsvollstreckung bearbeiten kann. Die Einziehung fremder Forderungen ist eine Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RDG). Inkassodienstleistungen erfordern gemäß § 11 Abs. 1 RDG besondere Sachkunde in den für die beantragte Inkassotätigkeit bedeutsamen Gebieten des Rechts.
(2) Aus Sicht des Forderungsschuldners unterscheidet sich das Anspruchsschreiben eines Anwalts, der zugleich Insolvenzverwalter ist, nicht von einem entsprechenden Schreiben eines Anwalts, der einen Mandanten kraft eines ihm erteilten Auftrags (§ 675 BGB) vertritt. Schutzbedürftig ist er in beiden Fällen. In beiden Fällen sieht er sich einem sachkundigen und ihm an Rechtskenntnissen überlegenen Gegner gegenüber. Er wird in der Regel nicht unterscheiden können, ob ein zum Insolvenzverwalter bestellter Anwalt, der den Briefkopf seiner Anwaltskanzlei verwendet und sich bei der Unterzeichnung des Schreibens durch einen anderen Anwalt vertreten lässt, als Insolvenzverwalter oder als Anwalt handelt oder handeln will. Beauftragt er seinerseits einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen, befindet er sich in derjenigen Situation, die § 12 BORA voraussetzt und in der er vor Überrumpelung und Übervorteilung mangels eigener Rechtskenntnisse geschützt werden soll. In der berufsrechtlichen Kommentarliteratur wird folgerichtig danach unterschieden, ob der Anwalt, der als Partei kraft Amtes oder in eigener Sache tätig wird, als Privatmann oder als Rechtsanwalt auftritt. Werde etwa - wie im vorliegenden Fall - das Briefpapier der Anwaltskanzlei verwandt, trete der Anwalt als solcher in Erscheinung und habe sich grundsätzlich an das Umgehungsverbot des § 12 BORA zu halten (Feuerich/Weyland/Böhnlein, BRAO, 8. Aufl., § 12 BORA Rn. 4; Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 12 BORA/§ 43 BRAO Rn. 10; Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 12 BORA Rn. 5; Nasse, BRAK-Mitt. 2007, 14, 15; weitergehend für eine Geltung des § 12 BORA unabhängig vom "Auftritt" des Anwalts Steike, NJW 2007, 1411 ff.; Thümmel, NJW 2011, 1850 ff.; aA Hartung, AnwBl. 2007, 64, 65; ders., Berufs- und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl., § 12 BORA Rn. 21 ff.; Feuerich/Weyland/Böhnlein, BRAO, 8. Aufl., § 12 BORA Rn. 4; wohl auch Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 12 BORA Rn. 2).
(3) Die weitere der Vorschrift des § 12 BORA zugrunde liegende Überlegung, dass die Verhandlungen zwischen den Berufsträgern zu einer Versachlichung der Auseinandersetzung, zu einer schnelleren Einigung und damit zur Funktionsfähigkeit der Rechtspflege beitragen können, greift ebenfalls unabhängig davon ein, ob der Anwalt eine Forderung der von ihm verwalteten Insolvenzmasse oder eine solche eines Mandanten einzieht. Insolvenzrechtliche Besonderheiten sind nicht zu berücksichtigen. In der Kommentarliteratur wird die Anwendung des § 12 BORA auf den Umgang des zum Insolvenzverwalter bestellten Anwalts mit dem anwaltlich vertretenen Schuldner in Zweifel gezogen, soweit es um dessen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 97 InsO geht (Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 12 BORA/§ 43 BRAO Rn. 8; Jaeger/Schilken, InsO, § 97 Rn. 11; MünchKomm-InsO/Stephan, 3. Aufl., § 97 Rn. 26; K.Schmidt/Ries, InsO, 18. Aufl., § 56 Rn. 59; HmbKomm-InsO/Herchen, 5. Aufl., § 97 Rn. 11; vgl. bereits RAK Düsseldorf KTS 1956, 63). Bei § 97 InsO handelt es sich um eine zentrale, das Insolvenzverfahren prägende Vorschrift, welche auf der Überlegung beruht, dass das Insolvenzverfahren nur dann effektiv durchgeführt werden kann, wenn der Schuldner mitwirkt (Jaeger/Schilken, InsO, § 97 Rn. 3; HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 97 Rn. 1). Der Schuldner hat sich deshalb auf Anordnung des Insolvenzgerichts jederzeit zur Verfügung des Verwalters zu halten, um die erforderlichen Auskünfte zu erteilen (Schilken, aaO Rn. 4; HK-InsO/Kayser, aaO Rn. 2). Der Grundsatz der "Waffengleichheit" und der mit § 12 BORA beabsichtigte Schutz vor Überrumpelung tritt hier zurück. Das Ziel einer effektiven Rechtspflege wird durch die unmittelbare Befragung des Schuldners eher verwirklicht als durch die Einschaltung eines rechtlichen Beraters, der nicht zur jederzeitigen Auskunftsbereitschaft angehalten werden kann.
Forderungen der Masse sind hingegen nach den allgemeinen Regeln geltend zu machen. Im Zivilprozess gelten insoweit keine Besonderheiten. Dann spricht auch nichts gegen die Einhaltung des Umgehungsverbotes des § 12 BORA.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1, 2 GKG. Fehlen Anhaltspunkte für eine Streitwertbestimmung, ist für das Klagebegehren der Regelstreitwert von 5.000 € anzusetzen (§ 52 Abs. 2 GKG).
Kayser Roggenbuck Lohmann Quaas Schäfer Vorinstanz:
AGH München, Entscheidung vom 17.02.2014 - BayAGH III - 4 - 5/13 -

Dienstag, 1. Dezember 2015

OHG/KG/GmbH & Co. KG und die Insolvenz

OHG/KG/GmbH & Co. KG und die Insolvenz  

Was für Auswirkungen hat eine mögliche Insolvenz auf die OHG/KG/GmbH & Co. KG? Wird auch das Vermögen eines Gesellschafters auch von der Insolvenz betroffen? Wer ist berechtigt einen möglichen Insolvenzantrag zu stellen? Gibt es Besonderheiten bei der GmbH & Co. KG? 

Insolvenzfähig sind auch die OHG und die KG. Das Insolvenzverfahren betrifft dabei nur das Vermögen der Gesellschaften als insolvenzrechtliches Sondervermögen und nicht auch die Vermögen der Gesellschafter. Umgekehrt erstreckt sich ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters nicht auch auf das Vermögen der Gesellschaft; erfasst wird dabei lediglich der Vermögenswert der Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft, also der Anteil, der seiner Gesellschafterstellung entspricht.

Antragsberechtigt sind nur die persönlich haftenden Gesellschafter, jedoch nicht der Kommanditist in der KG. Ist Gesamtvertretung gegeben kann ein Antrag nur von allen gemeinsam gestellt werden. Hat in diesem Fall aber nur ein Gesellschafter den Antrag gestellt, kann er ggf. von einem anderen persönlich haftenden Gesellschafter wieder zurückgenommen werden.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird die Gesellschaft aufgelöst (§§ 131 Abs. 1 Nr. 3, 161 Abs. 2 HGB). Bei Abweisung mangels Masse (§ 26) wird sie nur aufgelöst, wenn kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (§§ 131 Abs. 2 Nr. 1, 161 HGB).

Die GmbH & Co. KG ist, obwohl es sich bei der Komplementärin um eine juristische Person handelt, nur als Personengesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit insolvenzfähig. Zwischen der Gesellschaft (KG) und der Komplementärin (GmbH) ist daher insbesondere auch insolvenzrechtlich zu unterscheiden. Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG oder eines über das Vermögen der GmbH erstreckt sich nicht auf das Vermögen der jeweils anderen Gesellschaft. Es bedarf vielmehr jeweils eigener Insolvenzanträge.